Die Empörung bei den Einwohnern im Norden von Fuerteventura über das allgemeine Gefühl der Unsicherheit und das Tötungsdelikt an einem dänischen Touristen in den frühen Morgenstunden des 27. Dezember 2024 ist offenbar so groß, dass einige von ihnen in den sozialen Netzwerken zu einer Kundgebung am Sonntag, 29.12.2024, um 16:00 Uhr in Corralejo aufgerufen haben, wie der Sender „Radio Sintonía“ auf seiner Webseite berichtet.
In dem Aufruf zu Demonstration wird Gerechtigkeit für das Opfer und alle, die unter den Folgen der Gewalt auf der Insel leiden mussten, gefordert. Die Organisatoren betonen: „Wir sehen uns gezwungen, unsere Stimmen zu erheben und eine sofortige Reaktion der Behörden auf diese wachsende Unsicherheit einzufordern.“
Neben der Forderung nach Gerechtigkeit für das Opfer und dessen Angehörige wird die Notwendigkeit dringender Sicherheitsmaßnahmen betont, um gewährleisten, dass rechtschaffene Menschen ohne Angst auf der Insel leben können. Ziel ist es, das zunehmende Problem der Unsicherheit auf Fuerteventura sichtbar zu machen und klare, entschlossene Antworten von den Behörden einzufordern.
Der Aufruf endet mit den Worten: „Die Insel gehört uns, und wir werden nicht zulassen, dass sie zu einem Ort wird, an dem Gewalt und Straflosigkeit die Norm sind.“
Kriminalitätsstatistik kann zunehmende Gewalt im Norden von Fuerteventura nicht bestätigen
Ein Blick in die offizielle Kriminalitätsstatistik kann eine Zunahme von Gewaltkriminalität im Norden von Fuerteventura nicht bestätigen. Im Gegenteil: In der Gemeinde La Oliva, in der sich auch die Stadt Corralejo befindet, ist die Zahl der angezeigten konventionellen Straftaten (ohne Cyberkriminalität) in den ersten 9 Monaten 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 11,3% gesunken. Damit ist La Oliva die einzige der drei Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern auf Fuerteventura, in der die Zahl der Straftaten rückläufig ist.
Insbesondere die Zahl der Körperverletzungen und Schlägereien ist in den ersten 9 Monaten im Norden von Fuerteventura um 8,3% gesunken. Die Zahl der Raubüberfälle ist sogar um 64,3% gesunken, die der Einbrüche um 26,9%. Die Zahl der Tötungsdelikte lag sowohl in den ersten 9 Monaten 2024 als auch 2023 bei Null. Die Zahl der versuchten Morde ist in den ersten 9 Monaten sogar von 1 auf Null gesunken.
Folglich hätten die Bürger der Hauptstadtgemeinde Puerto del Rosario viel mehr Gründe, gegen zunehmende Kriminalität zu demonstrieren, denn dort ist die Zahl der konventionellen Straftaten um 14,2% gestiegen. Besonders deutlich ist der Zuwachs bei Sexualstraftaten sowie Körperverletzungen und Schlägereien.
Auch in der zweiten großen touristischen Gemeinde Pájara im Süden von Fuerteventura kann die Statistik keine nennenswerte Zunahme von konventionellen Straftaten bestätigen. Diese ist um kaum spürbare 2,7% gestiegen.
Wenn auf Fuerteventura also ein Trend zu steigender Kriminalität zu beobachten ist, dann allenfalls in der Hauptstadtgemeinde. Die touristischen Gemeinden im Norden und Süden sind, zumindest laut Statistik, dagegen weiterhin sehr sicher.
Tötungsdelikte sind auf Fuerteventura extrem selten
Natürlich ist jedes Tötungsdelikt ein verabscheuungswürdiges Verbrachen. Doch auf Fuerteventura wird eine solche Straftat wahrscheinlich von der Öffentlichkeit nur deshalb so dominant wahrgenommen, weil Tötungsdelikte praktisch nie vorkommen. Und wenn sie dann doch mal geschehen, wird eben viel darüber geredet. Bei Null bis 2 Fällen pro Jahr, meistens sogar nur „versuchte“ Tötungsdelikte, bedeutet ein einziger zusätzlicher Fall natürlich eine extreme prozentuale Veränderung.
Auch die Zahl der leichten und schweren Köperverletzungen und Schlägereien ist mit 110 Fällen und die Zahl der Raubtaten mit 64 angezeigten Fällen in den ersten 9 Monaten auf der ganzen Insel deutet kaum auf ein ausuferndes Gewaltproblem hin.
Zahl der Straftaten wird durch wachsende Bevölkerung und zunehmende Zahl von Touristen relativiert
Um einen eventuellen Trend bei der Zahl der Straftaten besser einordnen zu können, müssten man neben der Zahl der angezeigten Straftaten auch die Veränderungen bei der Zahl der Einwohner und der Urlauber betrachten. Wenn mehr Menschen zusammenleben bzw. zusammentreffen gibt es auch mehr Straftaten. Auch wenn offizielle Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung im Jahr 2024 noch nicht vorliegen, kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Einwohner auf Fuerteventura leicht gestiegen ist. Auch die Zahl der Urlauber dürfte gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich angestiegen sein. Daher ist es nicht überraschend, wenn auch die Zahl der Straftaten zunimmt.
Dunkelziffer dürfte Trend nur in Ausnahmefällen verändern
Natürlich ist jede Kritik an einer offiziellen Kriminalitätsstatistik mit Hinweis auf eine zweifelsfrei bestehende Dunkelziffer legitim. Längst nicht jede Straftat wird zur Anzeige gebracht und somit in der Statistik auch nicht gezählt.
Doch ist wohl auch die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Dunkelziffer als prozentualer Anteil der tatsächlich verübten Straftaten nicht wesentlich ändert, wenn es nicht gerade Änderungen in der Gesetzgebung gibt, die einen Einfluss auf die Bereitschaft zur Erstattung einer Anzeige haben können.
Daher dürften die Trends, die in der Kriminalitätsstatistik zu erkennen sind, durchaus eine Aussagekraft über die Entwicklung der Sicherheitslage haben, auch wenn man weiß, dass die Zahl der tatsächlich verübten Straftaten höher ist als die Zahl der angezeigten Straftaten.
Wer der spanischen Sprache mächtig ist, kann unter diesem Link die Zahlen der offiziellen Kriminalitätsstatistik selbst nachlesen.
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