Das kanarische Wasser-Paradoxon: Wassernotstand trotz Technologieführerschaft bei Entsalzung

Wassernotstand-Fuerteventura

Was Wassernotstand bedeutet, erleben die Einwohner vieler Ortschaften auf Fuerteventura tagtäglich am eigenen Leib. Und auch die einst regenreichen westlichen Inseln wie Teneriffa oder La Palma, die unter einer lang anhaltenden Dürre leiden, mussten längst den Wassernotstand ausrufen und das Wasser für die Landwirtschaft rationieren.

Während die Wasserversorgung auf Fuerteventura bereits zu 100% durch Meerwasserentsalzungsanlagen erfolgt, gibt es auf La Palma (bisher) noch keine einzige Meerwasserentsalzungsanlage.

Doch die Umwandlung von Meerwasser in Trinkwasser im sogenannten Umkehrosmoseverfahren hat zwei große Nachteile: Sie verbraucht sehr viel Strom und sie erzeugt eine stark konzentrierte Sole, die als „Abfallprodukt“ wieder ins Meer geleitet werden muss, wo sie verschiedene Probleme für das Ökosystem verursacht.

Viel Erfahrung mit Meerwasserentsalzungsanlagen

Die erste Meerwasserentsalzungsanlage auf Fuerteventura wurden im Jahr 1970 in der Hauptstadt Puerto del Rosario installiert. In den 1980er Jahren wurden weitere Anlagen z.B. in Gran Tarajal gebaut und die Leitungsnetze weiter in den Süden ausgebaut.

Heute sind die Kanarischen Inseln weltweit das Territorium mit der größten Dichte von Meerwasserentsalzungsanlagen pro Quadratkilometer mit einer Gesamtproduktionskapazität von rund 550.000 Kubikmetern pro Tag.

Insgesamt gibt es auf den Kanaren 28 große Meerwasserentsalzungsanlagen für die öffentlichen Wasserversorgung, von denen 22 in öffentlicher Hand sind und 6 von privaten Unternehmen betrieben werden. Darüber hinaus gibt es viele Hotels, die private Anlagen zur Selbstversorgung betreiben.

Den kanarischen Technikern fehlt es also wahrlich nicht an Erfahrung aus mehr als 50 Jahren Betrieb von dutzenden von Anlagen.

Spitzentechnologie made in Canarias

Bei so viel praktischer Anwendung liegt es natürlich nahe, dass sich auch Forscher und Ingenieure auf den Kanarischen Inseln sehr intensiv mit Technologien der Meerwasserentsalzung beschäftigen.

Diverse Projekte des „Kanarischen Technologieinstituts“ (Instituto Tecnológico de Canarias –ITC) suchen nach neuen Lösungen für die Verbesserung der Energieeffizienz oder für die kommerzielle Verwertung der Salzsole.

Im Rahmen des Projekts DESALRO 2.0 ist kanarischen Forschern ein technologischer Durchbruch gelungen. In einer Pilotanlage mit einer Kapazität von 2.500 Kubikmetern pro Tag konnten sie den Energieverbrauch auf 1,8kWh pro Kubikmeter senken. Das ist ein neuer Weltrekord und bedeutet eine Einsparung von rund 25% gegenüber modernen Anlagen, die zurzeit in einer industriellen Skala eingesetzt werden.

Tatsächlich wartet man in Pozo Izquierdo auf Gran Canaria nun darauf, dass die Inspektoren von „Guinness World Records“ die Anlage begutachten und den Weltrekord offiziell anerkennen.

Die größte Meerwasserentsalzungsanlage der Welt mit dem Namen „Jubail A3“ in Saudiarabien hat eine Kapazität von rund 1 Mio. Kubikmetern pro Tag und verbraucht rund 2,79 kWh pro Kubikmeter, die zu einem großen Teil aus erneuerbaren Energien stammen.

Die veralteten Meerwasserentsalzungsanlagen, die heute noch auf Fuerteventura in Betrieb sind, verbrauchen rund 4 bis 4,5kWh/m³.

Das thermodynamische Minimum für die Meerwasserentsalzung liegt bei rund 1,56kWh/m³. Die kanarische Technologie liegt als schon sehr nah am physikalisch Machbaren.

Im nächsten Schritt soll die neue Technologie in einer Anlage in industriellen Maßstäben mit einer Kapazität von 10.000m³ pro Tag beweisen.

Technologietransfer nach Afrika

In den letzten Jahren war das ITC an diversen Projekten beteiligt, die mit großem Erfolg unter anderem völlig autarke, mit Solarstrom versorgte Meerwasserentsalzungsanlagen in afrikanischen Dörfern installiert haben.

Warum klappt die Wasserversorgung dann auf Fuerteventura und den übrigen Kanarischen Inseln?

Die Probleme mit der Wasserversorgung auf Fuerteventura lassen sich also sicher nicht mit fehlendem Wissen oder unzureichender Technologie erklären.

Doch woher kommt die paradoxe Situation, dass die Kanarischen Inseln Technologieführer in Sachen Meerwasserentsalzung sind und viele Einwohner dennoch unter einer Wasserversorgung „wie in einem Dritte-Welt-Land“ leiden müssen?

Eines der größten Probleme auf Fuerteventura ist nicht die Produktion von Süßwasser, sondern dessen Verteilung an die Verbraucher. Während die Technologie bei der Entsalzung enorme Fortschritte gemacht hat, ist es auf Fuerteventura den Verantwortlichen nicht gelungen, ein „wasserdichtes“ und ausreichend groß dimensioniertes Leitungsnetz zu schafften und vor allem durch ausreichende Pflege und Wartung zu erhalten.

Die Folge ist, dass rund 50% des produzierten Wassers gar nicht abgerechnet werden kann, weil es entweder durch Löcher in den Leitungen im Boden versinkt oder an illegalen oder nicht erfassten Abnahmestellen „geklaut“ oder „verschenkt“ wird.

Gelänge es, diese Verluste zu eliminieren, stünde den legitimen Abnehmern die doppelte Menge an Wasser zur Verfügung, ohne dass nur eine Kilowattstunde Strom mehr verbraucht oder eine zusätzlich Meerwasserentsalzungsanlage gebaut werden müsste.

Es scheitert also an einer Technologie, nämlich der Installation eines ordentlichen Leitungsnetzes, die die Römer schon vor mehr als 2.000 Jahren gut beherrscht haben.

Es bleibt also spannend, ob die Politik mit dem erklärten Wassernotstand und den daraus entstandenen Notfallplänen die Probleme der Wasserversorgung in den nächsten Jahren wirklich endgültig lösen können.

Bestimme den Lohn für unsere Arbeit!

Wenn Du unsere Inhalte nützlich, unterhaltsam oder informativ findest, kannst Du den Lohn für unsere Arbeit selbst bestimmen. Das geht ganz einfach über diesen Link:

3873520ebeb04208bae8ff1e697e63e8
https://www.fuerteventurazeitung.de/du-bestimmst-den-lohn-fuer-unsere-arbeit/ banner 300x250 Bestimme den Lohn

Weitere Beiträge im Bereich Kanaren-Nachrichten