Räumung von 146 Wohnungen im Norden von Fuerteventura könnte neue Hausbesetzungen auslösen

Einbrecher-Hausbesetzer-Okupa

Zwischen dem 24. und 27. Juli 2023 sollen mindestens 146 Wohnungen einer Wohnanlage in Corralejo im Norden von Fuerteventura zwangsgeräumt werden.

Darauf machte die „Mieter*innen-Gewerkschaft von Fuerteventura“ („sindicato de inquilin@s“) in einer Pressemitteilung aufmerksam.

Nach Angaben der des Vereins sollen in den von der Zwangsräumung betroffenen Wohnanlage über 250 Personen leben, darunter auch Kinder, Senioren und schwangere Frauen, unter denen sich wiederum Personen in einer Situation nachgewiesener Vulnerabilität befinden.

Die Menschen, die jetzt in diesen Wohnungen leben, seien dort eingezogen, nachdem die Wohnanlage aufgeben und ihrem Schicksal überlassen worden war und sich in einem ruinösen Zustand befand. Im Laufe der Zeit hätten sie aus den leer stehenden Wohnungen ihr Zuhause gemacht, bevor der Komplex nun an Novo Canarias uns Aliseda verkauft wurde.

UPDATE: Am 21.07.2023 fand ein Treffen zwischen den betroffenen Anwohnern, dem Eigentümer und dem Bürgermeister von La Oliva statt. Dabei konnte offenbar eine Vereinbarung getroffen werden, die eine Fristverlängerung für die Räumung bis Ende des Jahres 2023 vorsieht.

Recht auf eine würdige Wohnung vs. Recht auf Eigentum

Wenn es um das Thema Okupas bzw. Hausbesetzer in Spanien geht, prallen nicht selten zwei Welten aufeinander. Die einen berufen sich auf das Recht auf eine würdige Wohnung, die anderen auf das Recht auf Privateigentum. Beide Seiten sehen ihr vermeintliches „Grundrecht“ in der spanischen Verfassung verankert.

Doch in der Systematik der spanischen Verfassung steht das Recht auf Privateigentum über dem Recht auf eine würdige Wohnung. Dennoch ist das Recht auf Privateigentum kein Grundrecht, sondern ein „gewöhnliches“ Recht, welches im 2. Abschnitt über „Rechte und Pflichten der Bürger“ geregelt ist.

Das Recht auf eine würdige Wohnung ist dagegen im Kapitel 3 über „die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik“ geregelt. Genaugenommen ist das „Recht auf eine würdige Wohnung“ nicht einmal ein „gewöhnliches“ Recht. Denn kein Individuum kann vor Gericht ziehen und die Zuteilung einer Wohnung einklagen.

Der Eigentümer einer Wohnung kann dagegen sehr wohl die Hilfe der Justiz und der Polizei in Anspruch nehmen, um sein Recht auf Eigentum zu schützen oder wiederherzustellen.

Das Recht auf eine Wohnung ist also vielmehr als Handlungsanweisung für die Politik zu verstehen, durch eine geeignete Sozial- und Wohnungspolitik dafür zu sorgen, dass jeder die Möglichkeit hat, eine würdige Wohnung zu nutzen. Das Recht auf eine Wohnung bedeutet jedoch niemals, dass ein Wohnungseigentümer seine Wohnung einem anderen gegen seinen Willen zur Verfügung stellen muss.

Folglich kann auch ein großer Immobilieneigentümer wie eine Bank oder eine Investmentgesellschaft die staatliche Hilfe von Justiz und Polizei in Anspruch nehmen, um sein Recht auf Eigentum gelten zu machen.

Vermutlich möchte der neue Eigentümer die Wohnungen in Corralejo nicht nur „einfach so“ leer bekommen, sondern die desolaten Wohnungen renovieren oder abreißen und neu bauen, um sie dem regulären Markt zur Verfügung zu stellen. Dies ist sein gutes Recht als Eigentümer.

Hausbesetzung im spanischen Strafrecht

Die widerrechtliche Besetzung einer Wohnung kann zwei verschiedene Straftatbestände erfüllen. Wenn es sich um die Hauptwohnung oder Zweitwohnung oder Zweitwohnung des rechtmäßigen Besitzers handelt, liegt der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs „Allanamiento de Morada“ gemäß Art. 202 des Código Penal vor.

Wer gegen den Willen des Berechtigten eine Immobilie besetzt oder in der Immobilie bleibt, die dem rechtmäßigen Besitzer nicht als Wohnung dient, also z.B. bei einer Wohnung, die leersteht, wie bei der oben beschriebenen Wohnanlage, erfüllt Straftatbestand der illegalen Hausbesetzung („Usurpación de Vivienda“) vor. Die Strafandrohung liegt bei einer Geldstrafe zwischen drei und sechs Monaten.

Erfolgt die Besetzung mit Gewalt (z.B. Einschlagen eines Fensters oder aufbrechen einer Tür) oder Einschüchterung von Personen, liegt die Strafandrohung zwischen einem und zwei Jahren zusätzlich zu den Strafen für die Sachbeschädigung oder Bedrohung/ Einschüchterung.

Grundsätzlich hat ein Eigentümer natürlich neben einem Strafverfahren immer auch die Möglichkeit, einen Hausbesetzer im Wege eines Zivilverfahrens „rauszubekommen“.

Mögliche Welle von neuen Hausbesetzungen auf Fuerteventura nach Zwangsräumung

Wenn 250 Menschen zwangsweise aus ihrer Wohnung geworfen werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass viele von ihnen nicht wissen, wo sie in Zukunft wohnen sollen und im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren Habseligkeiten auf der Straße stehen.

Die Sozialdienste der Gemeinden auf Fuerteventura, die eigentlich dafür zuständig sind, Menschen in einer Notsituation bei der Wohnraumsuche zu unterstützen, werden dieses Problem kaum lösen können.

Auf Fuerteventura ist daher oft zu beobachten, dass Hausbesetzer oder auch einfach nur Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten, nach einer Zwangsräumung keine andere Möglichkeit haben, als eine andere Wohnung zu besetzten. Dies geschah z.B. im Juni 2023 in La Pared im Süden von Fuerteventura, nachdem ein besetztes Haus nach rund zwei Jahren endlich geräumt werden konnte. Noch am selben Tag „bezogen“ die Okupas in ein anderes Haus in der Nachbarschaft.

Sollten die Zwangsräumungen in Corralejo in den kommenden Tagen also tatsächlich durchgeführt werden, sollten Immobilieneigentümer damit rechnen, dass es vermehrt zu neuen Hausbesetzungen kommen könnte.

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