Das zweite Verwaltungsgericht von Las Palmas de Gran Canaria hat in einem Urteil festgestellt, dass die Gemeinde Pájara die ehemals private Urbanisation Cañada de Rio stillschweigend übernommen hat.
Cañada de Rio bildet gemeinsam mit anderen privaten Urbanisation den Ort „Costa Calma“ im Süden Fuerteventuras.
Erschließung von Baugebieten in Privatinitiative
In Spanien ist es üblich, dass die Erschließung von Baugebieten in Privatinitiative erfolgt. Die Gemeinden erstellen für ihr Territorium einen Bebauungsplan, den sogenannten „plan general de ordenación urbana“ (PGOU). Dabei müssen die Gemeinden sich an die Rahmenbedingungen halten, die von übergeordneten Institutionen, wie im Falle der Kanaren von den Cabildos der der kanarischen Regierung, festgelegt werden.
Der oder die Eigentümer von Grundstücken, die in einem von der Gemeinde als Baugebiet ausgewiesenen Bereich liegen, können dann selbstständig ein Projekt für die Erschließung ihrer „urbanización“ erstellen. Sobald das Projekt von der Gemeinde genehmigt wurde, sind die Betreiber („promotores“) der „urbanización“ berechtigt,aber auch verpflichtet, die gesamte Infrastruktur wie Straßen, Kanalisation, Gehwege, Wasser- Strom- und Telekomleitungen, Beleutung, Grünzonen usw. zu errichten. Außerdem muss der Erschließungsträger einen Teil der resultierenden Baugrundstücke an die Gemeinde übertragen, z.B. für Spielplätze, Schulen oder sonstige öffentliche Einrichtungen. Die resultierenden Baugrundstücke werden dann nach einem vorher festgelegten Schlüssel im Rahmen einer sogenannten „junta de compensación“ („Ausgleichsgemeinschaft“) an die Eigentümern der Ursprungsgrundstücke zurück übertragen.
Die Finanzierung der Erschließung im Falle dieser privaten Urbanisationen erfolgt ausschließlich durch die privaten Erschließungsträger. Die Gemeinde hat eine gesetzliche Kontrollfunktion. Sie muss darauf achten, dass die Herstellung der Infrastruktur gemäß der genehmigten Pläne erfolgt.
Nach dem Buchstaben des Gesetzes dürfen die resultierenden Baugrundstücke erst bebaut werden, wenn die Infrastruktur vollständig fertiggestellt ist. Das Gesetz sieht vor, dass das Eigentum an Straßen, Wegen, Versorgungsnetzen, Grünzonen usw. dann an die Gemeinde übertragen wird. Von diesem Moment ist die Gemeinde dann für deren Wartung, Pflege und Erhaltung zuständig und muss die Kosten dafür tragen. Im Gegenzug kann die Gemeinde dann Gebühren für die Erteilung von Baugenehmigungen kassieren und die jährliche Grundsteuer für die Baugrundstücke eintreiben. Außerdem ist die Gemeinde dann für die Bereitstellung von Dienstleistungen wie Müllabfuhr und Straßenreinigung verantwortlich.
Auf Fuerteventura lief alles etwas anders
Bei der Erschließung von privaten Urbanisationen ist auf Fuerteventura in den letzten Jahrzehnten vieles anders gelaufen als oben beschrieben. Die Gemeinden, so auch die Gemeinde Pájara, erteilten Baugenehmigungen für Hotels und Wohnbebauung schon vor der Fertigstellung der Urbanisationen. Die Baugenehmigungen wurden nur an die Bedingung geknüpft, dass die Infrastruktur fertig sein muss, wenn für die Wohn- oder Hotelbebauung die Bauabnahme durch die Gemeinde beantragt wird.
In vielen Urbanisationen, z.B. in La Pared, Cañada del Rio und vielen anderen wurden „Baugrundstücke“ verkauft, die noch gar keine waren, weil die erforderliche Infrastruktur noch gar nicht existierte. Oft waren dann die Wohnhäuser fertig, bevor die Kanalisation oder die Anliegerstraße existierte. Dennoch erteilte die Gemeinde auch in solchen Fällen die Wohnbarkeitsbescheinigungen.
Die Herstellung der Infrastruktur wurde so in vielen Fällen zu einer „unendlichen Geschichte“. Die Hauskäufer fühlten sich von den Erschließungsträgern betrogen und von der Gemeinde im Stich gelassen. Dies führte letztlich zu politischen Streitereien, die nicht selten öffentlich ausgetragen wurden, und zu langwierigen Gerichtsverfahren.
Die Gemeinde kassierte zwar gerne Geld für Baugenehmigungen und Grundsteuern, war aber sicherlich froh, dass sie sich die Kosten für die notwendigen Dienstleistungen und Erhaltungsaufwendungen sparen konnte.
Erschließungsträger von Cañada del Rio hatte schon in 2014 die Abnahme durch die Gemeinde beantragt
Die erste Klägergemeinschaft, die einen Rechtsstreit gegen die Gemeinde führte und gewann, war der Bürgerverein von La Pared. Das Gericht stellte fest, dass die Gemeinde die Urbanisation stillschweigend übernommen hatte, weil sie Baugenehmigungen erteilt und jahrelang Grundsteuern kassiert hatte. Außerdem, so das Gericht, hatte die Gemeinde ihre Kontrollpflichten nicht erfüllt. Deshalb hat das Gericht die Gemeinde auch zur Fertigstellung von fehlender Infrastruktur verurteilt. Auch nach dem Urteil änderte sich für die Eigentümer zunächst nur wenig. Der Verein musste die Gemeinde anschließend noch zwingen, das Urteil zu vollstrecken. Ende 2021 hat die Gemeinde dann endlich mit Bauarbeiten in La Pared begonnen.
Der Erschließungsträger von Cañada del Rio hatte die Gemeinde bereits in 2014 aufgefordert, die Infrastruktur zu übernehmen. In 2015 wurde der Antrag erneut gestellt. Erst Ende 2019 ließ die Gemeinde dann ein Gutachten über den Zustand der Infrastruktur erstellen. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass es zwar Schäden bei der Beleuchtung und dem Straßenbelag gab, dass aber die Hauptverkehrswege übernommen werden könnten, weil sie in einem für das „Funktionieren in einem akzeptablen Zustand sind, wenn man berücksichtige, dass sie bereits vor 30 Jahren hergestellt wurden.
Die Gemeinde forderte dann den Erschließungsträger auf, die Defekte zu beseitigen. Dieser entgegnete, dass die Gemeinde für die Erhaltung der bereits hergestellten Infrastruktur zuständig sei, und zog vor Gericht.
Das Gericht bestätigte, dass die Gemeinde diese Urbanisation bereits stillschweigend abgenommen habe und daher zur Übernahme der öffentlichen Infrastruktur verpflichtet ist.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Gemeinde kann Rechtsmittel bei der nächst höheren Instanz einlegen.
Der Hotelverband Excelfuert mahnte die Gemeinde zur Vernunft. Sie solle das Urteil anerkennen und auf weitere Instanzen verzichten. Statt das Geld der Bürger für Gerichtsprozesse auszugeben, die sie vermutlich verlieren wird, solle sie sich lieber für die Lösung der Probleme einsetzen.
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