Unternehmer. Raffgierige Ausbeuter oder wichtigster Motor der Wirtschaft?

Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit in Spanien waren in der Vergangenheit traditionell ungleichgewichtig ausgeprägt. Der Arbeitgeber war immer der Böse und Starke, der Arbeitnehmer immer der Arme und Schwache, der Arbeitgeber der Übeltäter, der Arbeitnehmer das Opfer. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber war praktisch immer „improcedente“, also „nicht gerechtfertigt“. Selbst wenn eine Firma praktisch pleite war, war eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel „ungerechtfertigt“.

Der Arbeitnehmer konnte sich nahezu sicher sein, einen Arbeitsrechtsprozess zu gewinnen. Der Arbeitnehmer erhielt praktisch immer eine stattliche „Entschädigung“. Der Arbeitgeber musste neben den Prozesskosten auch noch das Gehalt für die Dauer des Prozesses weiter zahlen, obwohl der Arbeitnehmer in dieser Zeit gar nicht gearbeitet hatte.

Die Kündigung eines Mitarbeiters war für spanische Unternehmen, egal ob groß oder klein, immer eine sehr teure, und für manches Kleinunternehmen eine Existenz bedrohende Maßnahme. Folglich überlegte sich jeder Unternehmer in schlechten Zeiten, ob er das Risiko einer Kündigung in schlechten Zeiten auf sich nehmen wollte, oder den Mitarbeiter „irgendwie durchschleppen“ konnte, in der Hoffnung, dass sich vielleicht bessere Zeiten einstellen würden. Mancher kleiner Handwerksunternehmer gab sich mit einem Hungerlohn für sich zufrieden oder erduldete zeitweise Verluste, um die hohen und nicht selten ruinösen Kosten für eine Kündigung zu vermeiden. Dass eine solche Zwickmühle in Krisenzeiten nicht dazu beiträgt, die Überlebensfähigkeit von Firmen zu sichern, liegt auf der Hand. Und dass ein Unternehmer, der eine solche Situation mit praktisch unkündbaren Mitarbeitern einmal durchlebt hat, es sich dreimal überlegt, ob er in besseren Zeiten wirklich einen weiteren Mitarbeiter einstellt, ist auch gut zu verstehen.

Leider hat der spanische Gesetzgeber dieses Problem über Jahre nicht erkannt und gelöst. Jede Initiative, das starre Arbeitsrecht zu liberalisieren und etwas mehr Flexibilität einzuführen, hat zu lautem Aufschreien der Gewerkschaften geführt. Arbeitgeber wurden in diesem Zusammenhang gern als kündigungswütige Ausbeuter dargestellt, die nur darauf warteten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit Mitarbeiter zu entlassen. Mitarbeiter wurden immer gleich als potentielles Opfer der Willkür der Arbeitgeber gesehen, die beim kleinsten Aufmucken sofort gefeuert würden.

Die Einsicht, dass ein Unternehmen seine Mitarbeiter braucht, um zu existieren, zu florieren und letztlich auch Gewinne abzuwerfen, sprach man den Firmeneignern praktisch ab. Aber unterstellt man den Unternehmern die Absicht, ihre Gewinne zu maximieren, so wie es in jedem Wirtschaftslehrbuch postuliert wird, erkennt man zwei Dinge: A) Ein Unternehmen braucht möglichst produktive Mitarbeiter. B) ein größeres Unternehmen mit vielen Mitarbeitern generiert (in der Regel) mehr absoluten Gewinn, als ein kleineres Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern. Unterstellt man den Unternehmern also die Gewinnmaximierungsabsicht, so sollte man ihnen auch unterstellen, dass sie ihr Unternehmen wachsen sehen wollen, und somit auch bereit sein werden, mehr Mitarbeiter einzustellen. Ein Unternehmen kann aber nur wachsen, wenn entweder der Markt, in dem es tätig ist, wächst, oder wenn es anderen Unternehmen Marktanteile abjagt, es also besser ist, als die Konkurrenz. Das Beste, was einer Volkswirtschat also passieren kann, ist Wachstum, wenn man die Arbeitslosigkeit wirksam eindämmen will. Da es aber ein Gesetz der Wirtschaft zu sein scheint, dass sich Aufschwung und Abschwung zyklisch abwechseln, muss ein Unternehmen in Boomzeiten schon immer an die nächste Krise denken, in der man überflüssige Mitarbeiter eventuell wieder loswerden muss. Deshalb betrachten sie die in der nächsten Krise  zu erwartenden Kosten einer zukünftigen Kündigung bereits bei der Einstellung in einer Aufschwungphase. Wenn die Kündigung zu teuer ist, werden die Unternehmen eher in die Steigerung der Produktivität ihrer vorhandenen Belegschaft investieren, als Neueinstellungen vorzunehmen, vor allem dann, wenn der Aufschwung sich nur langsam abzeichnet und seine Dauer ungewiss ist.

Die Lehre für die Politik daraus kann eigentlich nur sein, die Kosten einer Kündigung so weit wie möglich zu reduzieren und das Gemeinwohl vor den Schutz des Einzelnen zu stellen. Auch dem Fortbestehen eines wettbewerbsfähigen Unternehmens sollte eine höhere Bedeutung beigemessen werden, anstatt dessen Untergang in Kauf zu nehmen, damit einzelne gekündigte Arbeitnehmer ihre „Entschädigung“ kassieren können.

So hart es für das Individuum im Einzelfall sein mag, aber für eine Volkswirtschaft ist es letztlich egal, ob Antonio, Paco, Pedro oder Luis arbeitslos ist.  Wenn ein Unternehmen Antonio entlässt, und dafür Paco einstellt, z.B. weil dieser besser qualifiziert oder einfach fleißiger ist, entsteht der Volkswirtschaft dadurch sicher kein Schaden, die Zahl der Arbeitslosen ändert sich ja nicht. Sollte jedoch im Unternehmen durch diese Umstrukturierung ein Vorteil, also ein höherer Gewinn, entstehen, so würden Volkswirte dies als Zuwachs an „Wohlfahrt“ bezeichnen. Populärwissenschaftlich könnte man sagen, das der „Kuchen etwas größer ausfällt“, sodass mehr für eine eventuelle Umverteilung, z.B. durch Steuerzahlungen, zur Verfügung steht.

Wenn das Unternehmen in Boomzeiten aufgrund geringerer erwarteter Kündigungskosten nicht nur Pedro, sondern auch noch Luis einstellt, könnte der Beschäftigungsmotor so viel deutlicher in Fahrt kommen. Dies wäre nicht nur für Luis als Individuum eine tolle Sache, auch das Unternehmen und die Gesellschaft, also die Volkswirtschaft würde davon profitieren, auch auf die Gefahr hin, dass Luis im nächsten Abschwung vielleicht seinen Job wieder verlieren würde.

Ob die nun angeschobene Reform des Arbeitsmarktes ausreichend sein wird, um wirklich spürbare Impulse bei der Beschäftigung in Spanien zu bewirken, bleibt abzuwarten. Denn solange die Unternehmen keine Aufträge haben, mit denen sie Mitarbeiter auslasten könnten, wird auch eine Liberalisierung des Arbeitsrechts nicht viel ausrichten können. Wenn sich aber eines Tages ein Aufschwung oder auch nur eine leichte Erholung in einigen Branchen wie z.B. dem Tourismus oder der Bauindustrie ankündigen sollte, könnte der Arbeitsmarkt vielleicht deutlich schneller an Fahrt gewinnen, also ohne Reform.

Wir halten den Spaniern die Daumen.

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